Wenn der Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen grundlegend verändern möchte, ist er auf die Zustimmung des Arbeitnehmers angewiesen. Der Arbeitgeber droht daher oft mit der Kündigung des Arbeitsvertrags, wenn der Arbeitnehmer nicht zustimmt. Die Rede ist dann von einer Änderungskündigung. Wir erklären 7 häufige Gründe für eine Änderungskündigung.
Dieser Beitrag wurde von Herrn Dr. Hartmut Breuer, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin, erstellt.
1. Kurzarbeit
Viele Betriebe geraten während einer Wirtschaftskrise in wirtschaftliche Bedrängnis. Eine mögliche Lösung ist die Einführung von Kurzarbeit. Für Kurzarbeit müssen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer aber auf eine vorübergehende Reduzierung der Stunden einigen. Eine einseitige Anordnung des Arbeitgebers ist grundsätzlich nicht möglich. Es steht dem Arbeitnehmer also auch frei, diese Änderung abzulehnen.
Um die Kurzarbeit zu erzwingen, kann der Arbeitgeber dann eine Änderungskündigung aussprechen. Eine Änderungskündigung funktioniert wie folgt: Der Arbeitgeber kündigt dem Arbeitnehmer und bietet ihm gleichzeitig an, zu geänderten Bedingungen weiterzuarbeiten.
In diesem Fall kann der Arbeitnehmer nach der Änderungskündigung also nur weiterarbeiten, wenn er der Kurzarbeit zustimmt.
Das Problem: Für viele Mitarbeiter gelten lange Kündigungsfristen. Oft ist die Krise aber zu akut, um die Kurzarbeit erst nach einigen Monaten einzuführen. In Extremfällen kann daher auch eine außerordentliche Änderungskündigung wirksam sein. Das bedeutet, der Arbeitgeber kann die Kurzarbeit ohne Einhaltung der Kündigungsfrist durchsetzen. Eine solche fristlose Änderungskündigung wurde während der Coronapandemie vom Arbeitsgericht Stuttgart bestätigt (ArbG Stuttgart, Urteil v. 22.10.2020, Az. 11 Ca 2950/20):
In diesem Fall ging es um ein Leiharbeitsunternehmen, welches unter anderem Mitarbeiter an Kindergärten vermittelte. Die Arbeitnehmerin war dort für die Einsatzplanung zuständig. Wegen der Coronakrise und der Schließung der Kindergärten bot ihr die Arbeitgeberin erfolglos Kurzarbeit an. Daraufhin sprach die Arbeitgeberin eine fristlose Änderungskündigung aus.
Hiergegen klagte die Arbeitnehmerin. Das Gericht sah die Änderungskündigung als wirksam an. Die Richter berücksichtigten insbesondere, dass die Arbeitgeberin zuvor versucht hatte, die Kurzarbeit einvernehmlich einzuführen. Außerdem habe die Kurzarbeit den Zweck, Arbeitsplätze zu erhalten. Im Einzelfall sei dies aber nur möglich, wenn Arbeitgeber auch ohne lange Kündigungsfristen auf Kurzarbeit umstellen können.
Es bleibt aber dabei, dass die fristlose Änderungskündigung grundsätzlich die Ausnahme ist. Arbeitnehmer sollten sich daher in diesem Fall anwaltlich beraten lassen.
Hinweis: Kurzarbeit wird in vielen Fällen per Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat eingeführt. Der einzelne Arbeitnehmer kann dem dann meist nicht widersprechen.
2. Änderungskündigung und Arbeitszeit
Bei den Arbeitszeiten hat der Arbeitgeber meistens nur einen begrenzten Spielraum. In so gut wie allen Arbeitsverträgen ist die Stundenanzahl fest geregelt.
Mitunter möchte der Arbeitgeber die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers zu einem späteren Zeitpunkt dauerhaft, und nicht nur wie bei der Kurzarbeit vorübergehend, reduzieren. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Arbeitgeber nicht mehr genügend Arbeit zu vergeben hat. Eine Änderungskündigung ist aber nur möglich, wenn der Arbeitgeber genau erklären kann, warum Arbeit auf Dauer entfällt.
Beispiel: Arbeitgeber A betreibt eine Fabrik, in der er Elektrogeräte baut. Nun verlegt er einen Teil der Produktion ins Ausland, sodass in Deutschland weniger Arbeit anfällt. Kurzarbeit ist nicht möglich, da es sich nicht nur um einen vorübergehenden Zustand handeln soll. A kann jetzt grundsätzlich zwischen zwei Möglichkeiten wählen. Entweder entlässt er einige Mitarbeiter und behält die restlichen Arbeitnehmer in Vollzeit, oder er reduziert die Stunden aller Mitarbeiter anteilig. Wenn ein Mitarbeiter diese Reduzierung nicht akzeptiert, kommt eine Änderungskündigung in Betracht.
3. Änderungskündigung wegen Gehaltskürzung
Teilweise will der Arbeitgeber nicht die Arbeitszeit, sondern den Stundenlohn des Arbeitnehmers senken. Auch hier kommt ohne Zustimmung des Arbeitnehmers nur eine Änderungskündigung in Betracht. Anders als bei den vorherigen Fällen kann der Arbeitgeber nicht anführen, es falle weniger Arbeit im Betrieb an. Vielmehr wird er sich auf eine finanzielle Krise des Unternehmens berufen.
Eine Gehaltssenkung bei gleichen Arbeitszeiten ist jedoch ein besonders schwerer Eingriff in den Arbeitsvertrag. Deshalb stellen die Gerichte sehr strenge Anforderungen an eine solche Änderungskündigung. Ein Geldmangel allein reicht als Begründung nicht aus. Die Änderungskündigung ist in der Regel nur unter folgenden Voraussetzungen wirksam:
- Die normale Bezahlung würde dazu führen, dass wegen hoher, unvermeidbarer Verluste Personal entlassen oder der Betrieb geschlossen werden müsste und
- ein umfassender Sanierungsplan liegt vor, der alle anderen Einsparungsmöglichkeiten ausschöpft.
Selbst wenn diese Anforderungen erfüllt sind, kommt aber meist nur eine vorübergehende Gehaltssenkung in Betracht. Eine dauerhafte Gehaltskürzung wäre unwirksam. Denn die Kürzung soll ja gerade eine wirtschaftliche Besserung der Unternehmenslage herbeiführen.
4. Änderungskündigung bei Standortschließung
Wenn der Arbeitgeber einen Betriebsstandort schließt, müssen die Arbeitnehmer mit ihrer Kündigung rechnen. Es kann aber sein, dass der Arbeitgeber noch andere Standorte hat, an denen Stellen frei sind. In diesem Fall ist der Arbeitgeber sogar verpflichtet, dem Arbeitnehmer die freie Stelle anzubieten und eine Änderungskündigung auszusprechen, anstatt „normal“ zu kündigen.
Eine solche Änderungskündigung kann für den Arbeitgeber erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen, wie das folgende Beispiel aus der Rechtsprechung zeigt (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 19.12.2011, 15 Sa 1264/11):
Der Arbeitgeber B schloss eine Fabrik in Berlin und baute gleichzeitig seine Produktion im Standort Hannover aus. Weil nicht alle Mitarbeiter aus Berlin in Hannover übernommen werden konnten, klärte er vorher unter Mitwirkung des Betriebsrats ab, welche Mitarbeiter mit nach Hannover kommen wollen. Wer sich vorher nicht gemeldet hatte, erhielt eine „normale“ Kündigung ohne Änderungsangebot. Arbeitnehmer X äußert sich nicht und wurde ohne Änderungsangebot gekündigt. Gegen die Kündigung klagte er.
Das Gericht gab X Recht. Der Arbeitnehmer hätte auch X eine Änderungskündigung aussprechen müssen. Das gelte selbst dann, wenn er vorher kein Interesse an der Stelle in Hannover bekundet habe.
Im Ergebnis können Arbeitgeber bei Standortschließungen also nur begrenzt im Vorfeld planen. Deshalb bleibt ihnen oft nur übrig, einem Teil der alten Arbeitnehmer attraktive Abfindungen in der Änderungskündigung anzubieten.
5. Versetzung per Änderungskündigung
Auch eine Versetzung kann der Arbeitgeber nicht einseitig bestimmen. Insbesondere in den folgenden Fällen kann sich der Arbeitnehmer wehren:
- Dem Arbeitnehmer wird dauerhaft eine andere Tätigkeit zugewiesen, die geringwertiger als die im Vertrag vorgesehene Tätigkeit ist.
- Der Arbeitnehmer wird an einen anderen Arbeitsort versetzt, ohne dass dies im Arbeitsvertrag vorgesehen ist.
In diesen Fällen ist der Arbeitgeber auf eine Änderungskündigung angewiesen. Diese muss hohen Anforderungen genügen und kann vom Gericht überprüft werden.
Aber Achtung: Arbeitgeber und Arbeitnehmer können im Arbeitsvertrag eine sogenannte Versetzungsklausel vereinbaren. Diese Klausel erlaubt es dem Arbeitgeber, den Arbeitnehmer einseitig auf eine andere Stelle zu versetzen. Zum Beispiel kann der Arbeitsvertrag festlegen, dass der Arbeitnehmer bundesweit an jedem Standort des Arbeitgebers eingesetzt werden kann. Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch einseitig versetzen, ist eine Änderungskündigung in der Regel nicht nur unnötig, sondern rechtswidrig, wie das folgende Beispiel aus der Rechtsprechung zeigt (BAG, Urteil v. 26.01.2017, Az. 2 AZR 508/15):
Die Arbeitnehmerin war bei der Arbeitgeberin seit einigen Jahren angestellt. Eine Beschäftigung an einem bestimmten Standort war nicht vereinbart. Die Arbeitgeberin schloss 4 von 6 Standorten ihres Unternehmens. Auch der Standort der Arbeitnehmerin wurde geschlossen, weshalb die Arbeitgeberin diese zunächst ohne Änderungskündigung an einen anderen Standort versetzte. Später nahm die Arbeitgeberin die Versetzung zurück und sprach dann doch eine Änderungskündigung aus, mit der sie die Weiterbeschäftigung an einem der beiden verbleibenden Standorte anbot. Die Arbeitnehmerin akzeptierte die Änderungskündigung nicht und klagte.
Mit Erfolg: Die Parteien hatten im Arbeitsvertrag keinen festen Arbeitsplatz vereinbart. Deshalb konnte die Arbeitgeberin die Arbeitnehmerin schon durch ihr Direktionsrecht auf einen anderen Standort versetzen. Die Änderungskündigung war daher rechtswidrig.
6. Änderungskündigung gegenüber Führungskraft
Es kann vorkommen, dass ein Arbeitgeber einem leitenden Mitarbeiter die Personalverantwortung entziehen möchte. In der Regel ist das aber nicht ohne weiteres möglich. Denn in vielen Fällen ist die Führungsaufgabe durch den Arbeitsvertrag zugesichert. Ein Anspruch auf Personalverantwortung kann auch entstehen, wenn eine leitende Position tatsächlich eingenommen wird, ohne dass dies im Arbeitsvertrag vorgesehen ist.Weil die Personalverantwortung in diesen Fällen Vertragsinhalt ist, kann der Arbeitgeber sie nicht einseitig entziehen. Ihm bleibt dann oft nur die Änderungskündigung. Der Arbeitgeber muss aber darlegen, warum der Entzug von Personalverantwortung notwendig ist.
- In Frage kommt einerseits ein Grund in der Person der Führungskraft, zum Beispiel erhebliches Fehlverhalten gegenüber unterstellten Mitarbeitern.
- Andererseits kommen auch betriebsbedingte Gründe in Betracht, zum Beispiel, dass das bisher geleitete Team aufgelöst wird.
Wie schnell eine Änderungskündigung in solchen Fällen schiefgehen kann, zeigt der folgende Fall aus der Rechtsprechung (ArbG Köln, Urteil v. 11.12.2009, Az. 10 Sa 328/09):
Der Arbeitnehmer war als Gruppenleiter bei der Arbeitgeberin beschäftigt und hatte fünf Mitarbeiter unter sich. Die Arbeitgeberin wies ihm eine Position ohne Führungsaufgabe zu. Sie war sich nach der Versetzung aber selbst nicht sicher, ob diese vom Direktionsrecht gedeckt war und sprach noch eine Änderungskündigung aus. Der Arbeitnehmer klagte gegen die Versetzung und die Änderungskündigung.
Das ArbG sah beides als rechtswidrig an. Zunächst könne die Arbeitgeberin nicht einfach einseitig die Personalverantwortung entziehen. Die neue Stelle sei diesbezüglich nicht gleichwertig. Außerdem liege kein Grund für eine Änderungskündigung vor. Die alte Stelle des Arbeitnehmers sei nicht entfallen. Auch in der Person des Arbeitnehmers sei kein Grund für eine Änderungskündigung erkennbar.
7. Änderungskündigung nach Austritt aus Arbeitgeberverband
Gehören Arbeitgeber einem Arbeitgeberverband an, sind sie damit in aller Regel an einen bestimmten Tarifvertrag gebunden. Tritt der Arbeitgeber aus dem Verband aus oder wechselt in einen anderen Verband, endet die Bindung an den Tarifvertrag an sich.
Allerdings enthalten die meisten Arbeitsverträge Klauseln, in denen Bezug auf den Tarifvertrag genommen wird. Im Verhältnis zu den Arbeitnehmern ist der Arbeitgeber also nach wie vor an den Tarifvertrag gebunden. Deshalb greifen viele Arbeitgeber zur Änderungskündigung, um die Bezugnahmeklausel zu entfernen. Dies kann weitreichende Folgen für Arbeitnehmer haben (z.B. geringeres Gehalt, weniger Urlaubstage,…).
Arbeitgeber müssen allerdings ein dringendes betriebliches Erfordernis für diese Änderung haben. Hier gelten dieselben Grundsätze wie z.B. bei der Änderungskündigung wegen Gehaltskürzung. Allein der Wunsch, nicht mehr an den Tarifvertrag gebunden zu sein, reicht nach überzeugender Auffassung nicht aus.
8. Was tun nach einer Änderungskündigung?
Arbeitnehmer sollten Änderungskündigungen nicht einfach hinnehmen. In einigen Fällen bietet es sich an, die Änderungskündigung abzulehnen. Fast immer lässt sich zumindest eine Abfindung nach der Änderungskündigung aushandeln.
Allerdings ist Eile geboten: Arbeitnehmer haben nur drei Wochen Zeit, um gegen die Änderungskündigung vorzugehen.