ARBEITSRECHT
Kündigung ohne Abmahnung – häufig leicht angreifbar
Viele Arbeitnehmer erhalten überraschend eine Kündigung Ihres Arbeitsvertrags ohne vorherige Abmahnung. Wir erklären, was Sie nun tun sollten. Sie haben oft gute Chancen, sich gegen die Kündigung ohne Abmahnung zu wehren und eine Abfindung zu erhalten.
Diesen Beitrag hat Herr Dr. Hartmut Breuer erstellt. Die Inhalte basieren auf seiner langjährigen Erfahrung als Anwalt für Arbeitsrecht in Berlin.
1. Wann ist eine Abmahnung vor der Kündigung erforderlich?
- Wiederholte Unpünktlichkeit
- Arbeitsverweigerung
- Verstöße gegen andere arbeitsvertragliche Vereinbarungen
- Beleidigungen am Arbeitsplatz
- Vertrauensverlust durch z.B. Diebstahl, Arbeitszeitbetrug, Handgreiflichkeiten
Ihr Arbeitgeber muss Sie in solchen Fällen vorher abmahnen, damit Sie Ihr Verhalten noch ändern und eine Kündigung vermeiden können. Denn anders als bei anderen Kündigungsgründen kann ein Verhalten wie Unpünktlichkeit noch abgelegt – und so das Arbeitsverhältnis repariert werden.
Die Pflicht zur Abmahnung gilt also nicht für alle Kündigungsgründe.
Beispiele: Vor einer Kündigung wegen Geschäftsaufgabe oder einer krankheitsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber Sie nicht abmahnen.
2. Wann liegt eine wirksame Abmahnung vor?
- auf welche Pflichtverletzung sie sich bezieht (genaue Beschreibung nach Möglichkeit mit Datum und Uhrzeit),
- dass der Arbeitgeber Sie zur Besserung Ihres Verhaltens auffordert
- und dass der Arbeitnehmer mit einer Kündigung rechnen muss, falls sich die Pflichtverletzung wiederholt.
3. Kündigung ohne Abmahnung in Kleinbetrieben
- Wenn in Ihrem Betrieb höchstens 10 Mitarbeiter beschäftigt sind, gilt er als Kleinbetrieb. Dabei werden Auszubildende nicht mitgezählt, Teilzeitbeschäftigte mit nicht mehr als 20 Arbeitsstunden pro Woche sind mit 0,5, solche mit nicht mehr als 30 Stunden zu 0,75 zu berücksichtigen.
- Wenn Ihr Vertrag bereits vor dem 31. Dezember 2003 begonnen hat, gelten niedrigere, kompliziertere Schwellen.
4. Gründe für eine ordentliche Kündigung ohne Abmahnung
Betriebs- oder personenbedingte Kündigung
- Eine betriebsbedingte Kündigung erfolgt, wenn Ihr Arbeitgeber Sie aus wirtschaftlichen Gründen kündigt, weil er Sie nicht mehr beschäftigen kann. Solche Gründe können sowohl außerbetriebliche Umstände, wie z.B. ein Umsatzrückgang, als auch innerbetriebliche Umstände, wie zB. Eine Betriebsverkleinerung, sein.
- Personenbedingte Kündigungen erfolgen bei mangelnder Arbeitsleistung aufgrund persönlicher Eigenschaften. Anders als bei der verhaltensbedingten Kündigung handelt es sich bei diesen Eigenschaften jedoch nicht um steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers. Stattdessen sind dauerhafte Eigenschaften wie langanhaltende Krankheiten gemeint.
Verhaltensbedingte Kündigung
- das Fehlverhalten so gravierend ist, dass der Arbeitnehmer gleich mit der sofortigen Kündigung rechnen musste,
- oder die Abmahnung offenkundig aus anderen Gründen keine Warnfunktion haben wird (z.B. wenn der Arbeitnehmer ausdrücklich kundtut, in jedem Fall wieder so handeln zu wollen).
- Handgreiflichkeiten unter Arbeitskollegen
- Vorsätzlichem Betrug, zB. fehlerhafte Spesenabrechnung, Arbeitszeitbetrug
- Diebstahl am Arbeitsplatz
- Sexueller Belästigung
- Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot
- Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst
Ob allerdings die Pflichtverletzung so gravierend ist, dass der Arbeitgeber den betroffenen Mitarbeiter ohne Abmahnung kündigen darf, hängt stark vom Einzelfall ab. Das BAG hat mit den oben genannten Fällen nur Leitlinien geschaffen. Daher sollten Sie im Falle der Kündigung ohne Abmahnung möglichst immer einen Fachanwalt für Arbeitsrecht konsultieren. Dieser kann besser einschätzen, ob die Kündigung in Ihrem Fall zulässig war oder ob sie rechtlich angegriffen werden kann. Häufig kann er Ihnen auch eine attraktive Abfindung aushandeln (dazu unten mehr).
- Beleidigungen und Mobbing am Arbeitsplatz
- Unentschuldigtes Fehlen
5. Gründe für eine außerordentliche Kündigung ohne Abmahnung
- Begehung einer Straftat zum Nachteil des Arbeitgebers
- Schwere Beleidigungen/massives Mobbing am Arbeitsplatz
- Körperliche Angriffe
- Betrug des Arbeitgebers
Achtung: Außerordentliche Kündigungen sind nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig. Egal ob eine Abmahnung erfolgt ist oder nicht, sollten Sie hier einen Fachanwalt konsultieren. In sehr vielen Fällen ergehen solche fristlosen Kündigungen ohne hinreichenden Grund und Sie können sie erfolgreich angreifen.
6. Wie kann ich rechtlich gegen die Kündigung ohne Abmahnung vorgehen?
Fachanwalt für Arbeitsrecht beauftragen
Mit Ihrem Arbeitgeber eine Abfindung aushandeln
Kündigungsschutzklage erheben
Wenn Sie in den Verhandlungen nicht das gewünschte Ergebnis erzielen, können Sie mit Ihrem Anwalt Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung erheben.
Hier ist Eile geboten! Gemäß § 4 S.1 KSchG haben Sie für die Klageerhebung nur 3 Wochen ab Zugang der Kündigung Zeit.
Mehr zum Ablauf der Kündigungsschutzklage erfahren Sie im verlinkten Beitrag.
Gehalt nachfordern
Ist Ihre Klage erfolgreich, gilt die Kündigung als von Anfang an unwirksam. Ihr ursprüngliches Arbeitsverhältnis gilt dann als nie beendet. Das bedeutet auch, dass Sie das Gehalt, was Sie zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist und dem gewonnen Prozess erhalten hätten, von Ihrem Arbeitgeber herausverlangen können (wenn Sie nicht ohnehin Lohnfortzahlung während der Kündigungsschutzklage erhalten haben). Unter Umständen steht Ihnen auch der Bonus nach Ihrer Kündigung noch zu.
7. Fazit
- Eine vorherige Abmahnung ist grundsätzlich nur bei verhaltensbedingten Kündigungen erforderlich.
- Aus der Abmahnung muss deutlich hervorgehen, auf welche Pflichtverletzung sie sich bezieht, und dass der Arbeitnehmer im Wiederholungsfall mit einer Kündigung rechnen muss.
- In Kleinbetrieben kann der Arbeitgeber auch ohne vorherige Abmahnung kündigen.
- Eine Kündigung ohne Abmahnung ist nur bei besonders schweren Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers zulässig.
- Besonders schwere Pflichtverletzungen liegen ggf. bei Vertrauensverstößen wie Diebstahl und Betrug am Arbeitsplatz vor. Auch bei Handgreiflichkeiten am Arbeitsplatz und sexueller Belästigung bedarf es meist keiner Abmahnung.
- Die Gründe der außerordentlichen Kündigung decken sich fast immer mit den Gründen, die die Pflicht zur Abmahnung entfallen lassen. Hier ist also selten eine Abmahnung nötig.
- Wenn Sie eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung erhalten haben, sollten Sie sich zügig an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht wenden. Häufig ist eine solche Kündigung rechtswidrig und Sie können mit Ihrem Arbeitgeber über eine Abfindung verhandeln.