ARBEITSRECHT
Unwiderrufliche Freistellung – Was Sie dazu wissen müssen
Nach einer Kündigung des Arbeitsvertrags stellt der Arbeitgeber den Mitarbeiter häufig unwiderruflich frei. Sie müssen dann also während der Kündigungsfrist nicht mehr zur Arbeit erscheinen. Wir erklären Ihnen, was Sie zur unwiderruflichen Freistellung wissen müssen.
Autor dieses Beitrags ist Herr Rechtsanwalt Dr. Hartmut Breuer, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Berlin.
Leerraum
1. Was ist die unwiderrufliche Freistellung?
In einigen Fällen möchte der Arbeitgeber Sie während dieser Zeit nicht mehr im Unternehmen sehen. Er stellt Sie deshalb frei. In aller Regel geschieht dies unwiderruflich, der Arbeitgeber kann Sie also nicht mehr in den Betrieb zurückbeordern. Sie dürfen aber natürlich zurückkehren, wenn Sie vor Gericht Ihre Weiterbeschäftigung durchsetzen, indem Sie erfolgreich gegen die Kündigung klagen.
Der Arbeitgeber darf Sie nicht nach jeder Kündigung freistellen. Im Gegenteil ist er an recht strenge Voraussetzungen gebunden. Sie haben nämlich nicht nur eine Pflicht zur Arbeit, sondern auch ein Recht auf Arbeit.
Wenn im Vertrag nichts zur Freistellung geregelt ist, darf der Arbeitgeber Sie nur freistellen, wenn ihm die Weiterbeschäftigung unmöglich oder unzumutbar ist. Die wichtigsten Fälle:
- Sie haben Ihre Pflichten massiv verletzt, z.B. durch eine Straftat am Arbeitsplatz zulasten des Unternehmens. Dem Arbeitgeber ist es ggf. nicht mehr zumutbar, Sie weiter im Betrieb zu halten.
- Wegen Auftragsmangels kann Ihnen der Arbeitgeber keine Arbeit zuteilen. Dies hat der Arbeitgeber aufwändig darzulegen.
In einigen Arbeitsverträgen ist geregelt, dass der Arbeitgeber Sie nach einer Kündigung freistellen darf. Solche Klauseln sind uneingeschränkt wohl nur bei Führungskräften zulässig. Hierzu liegt noch keine gesicherte Rechtsprechung vor. In jedem Fall muss der Arbeitgeber die unwiderrufliche Freistellung sachlich rechtfertigen können, er muss also einen nachvollziehbaren Grund zur Hand haben.
Natürlich können Sie mit Ihrem Arbeitgeber nach einer Kündigung ausdrücklich vereinbaren, dass der Arbeitgeber Sie freistellt. Zustimmen müssen Sie einem solchen Vorschlag jedenfalls nicht.
2. Werden Arbeitnehmer während der unwiderruflichen Freistellung bezahlt?
Wenn der Arbeitgeber sich auf eine Freistellungsklausel im Arbeitsvertrag beruft, muss diese Ihnen in aller Regel ebenfalls das Gehalt zusprechen. Geht Ihre Freistellung auf eine Einigung mit Ihrem Arbeitgeber nach Ausspruch der Kündigung zurück, sollten Sie die Weiterbezahlung während Ihrer Freistellung ausdrücklich verlangen. Die Bezahlung ist hier nämlich Verhandlungssache.
Wenn Ihre Vergütung sich aus variablen Bestandteilen zusammensetzt, lohnt sich die Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht umso mehr. Während der Freistellung haben Sie natürlich nicht mehr die Möglichkeit, Ihre vereinbarten oder vorgegebenen Ziele zu erreichen. Die Berechnung Ihres Bonus nach der Kündigung ist dann kompliziert. Die Bonushöhe kann sich z.B. aus vergangenen Monaten oder derjenigen von vergleichbaren Kollegen ergeben. Allerdings kommt es auf den Einzelfall an.
3. Was sind die Nachteile einer unwiderruflichen Freistellung?
- Wenn Sie in Ihrem Beruf stets auf dem Laufenden bleiben müssen, ist es ggf. nach einer gewonnenen Kündigungsschutzklage nicht leicht, wieder auf Ihrer gewohnten Stelle zurechtzukommen. Einfluss auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts hat dies aber grundsätzlich nicht.
- Sie verlieren häufig Ihren Anspruch auf Auszahlung offener Resturlaubstage und Ihres Guthabens auf dem Arbeitszeitkonto. Der Arbeitgeber wird die Freistellung in der Regel nämlich damit verrechnen.
- Das Unternehmen besetzt die Stelle während Ihrer Freistellung wahrscheinlich neu. Mit fortschreitender Einarbeitung der neuen Arbeitskraft steigt das Interesse des Unternehmens, dass sich an dem neu geschaffenen Zustand nichts mehr ändert. Allerdings nehmen so zugleich Ihre Chancen auf eine attraktive Abfindung zu.
4. Gibt es bei Krankheit während der Freistellung Entgeltfortzahlung bzw. Krankengeld?
Ob Sie bei Arbeitsunfähigkeit weiter das Gehalt von Ihrem Arbeitgeber im Sinne der Entgeltfortzahlung verlangen können, ist im Einzelnen umstritten. In den meisten Fällen steht Ihnen der Anspruch während der ersten sechs Wochen Ihrer Arbeitsunfähigkeit zu. Danach kommt ggf. Krankengeld in Betracht.
Auch im Rahmen einer einvernehmlichen unwiderruflichen Freistellung muss der Arbeitgeber Sie (wie im gewöhnlichen Arbeitsverhältnis) nach sechs Wochen grundsätzlich nicht mehr weiterbezahlen. Wenn Sie sich auf eine unbezahlte Freistellung geeinigt haben, entfällt das Entgelt ohnehin.
Arbeitnehmer haben in der Regel Anspruch auf Krankengeld von ihrer Krankenversicherung, wenn Sie länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt sind. Dieses beträgt grundsätzlich 70% des Bruttoverdienstes. Während einer unwiderruflichen Freistellung ist Ihnen dieser Anspruch in der Regel nicht genommen.
5. Erfolgt die unwiderrufliche Freistellung unter Anrechnung von Urlaub und Überstunden?
Allerdings gelten für die Verrechnung einige Voraussetzungen, insbesondere mit Blick auf die Anrechnung gesetzlichen Urlaubs:
- Die Freistellung muss tatsächlich unwiderruflich erfolgen.
- Das Arbeitsentgelt während dieser Zeit muss Ihnen sicher sein.
- Der Arbeitgeber muss klar benennen, wie viel Urlaub und Überstunden verrechnet werden (in aller Regel alles).
6. Während unwiderruflicher Freistellung neuen Job beginnen?
Beachten Sie unbedingt das Wettbewerbsverbot. Auch ohne ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag dürfen Sie Ihrem Arbeitgeber während der Freistellung keine Konkurrenz machen. Sehen Sie deshalb davon ab, als Selbständiger oder als Arbeitnehmer in derselben Branche tätig zu werden. Das ist nur dann grundsätzlich möglich, wenn Ihr Arbeits- oder Aufhebungsvertrag eine Anrechnungsklausel enthält. Damit verzichtet der Arbeitgeber in der Regel auf das Wettbewerbsverbot.
7. Gibt es eine unwiderrufliche Freistellung auch ohne Kündigung?
In einigen Konstellationen können Sie als Arbeitnehmer Ihre vorübergehende Freistellung verlangen, bei der ebenfalls keine Kündigung im Raum steht. Gemeint ist etwa die Freistellung wegen der Erkrankung Ihres Kindes, wegen eines familiären Todesfalls, wegen Ihrer Hochzeit oder wegen der Geburt Ihres Kindes. Auch diese Freistellungen erfolgen grundsätzlich unwiderruflich, sind allerdings auf kurze Zeit begrenzt. Dasselbe gilt für die Freistellung zur Stellensuche nach einer Kündigung, wenn Sie nicht ohnehin während der Kündigungsfrist freigestellt sind.
8. Fazit
- Die unwiderrufliche Freistellung bedeutet, dass Sie nicht mehr arbeiten müssen und der Arbeitgeber diese Entscheidung auch grundsätzlich nicht mehr widerrufen kann.
- Möglich ist die unwiderrufliche Freistellung mit Ihrem Einverständnis oder aufgrund einer Klausel im Arbeitsvertrag, sofern diese wirksam ist. Ohne Ihr Einverständnis darf der Arbeitgeber Sie nur freistellen, wenn Ihre Arbeit im Betrieb unzumutbar oder unmöglich ist.
- Wenn Sie während der unwiderruflichen Freistellung arbeitsunfähig erkranken, haben Sie in den ersten sechs Wochen Ihrer Krankheit meist Anspruch auf Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber. Danach steht Ihnen in den meisten Fällen Krankengeld von der Krankenkasse zu.
- Häufig verrechnet der Arbeitgeber Ihre unwiderrufliche Freistellung mit offenen Urlaubstagen und Überstunden.
- Sie dürfen während der unwiderruflichen Freistellung grundsätzlich einen neuen Job antreten, müssen meist aber das Wettbewerbsverbot einhalten.