ARBEITSRECHT

Kündigung wegen Geschäftsaufgabe erfolgreich angreifen

Wenn Ihr Arbeitgeber sein Geschäft aufgibt, steht Ihnen wahrscheinlich die Kündigung des Arbeitsvertrags bevor. In dem folgenden Beitrag zeigen wir Ihnen auf, ob Sie die Kündigung abwenden oder mit einer Abfindung rechnen können.

Dieser Artikel basiert auf über 20 Jahren Erfahrung von Herrn Dr. Breuer als Anwalt für Arbeitsrecht in Berlin.

1. Ist eine Kündigung wegen Geschäftsaufgabe möglich?

Dem Arbeitgeber steht grundsätzlich das Recht zu, Mitarbeiter aus wirtschaftlichen Gründen zu kündigen. Das kann im Rahmen einer Geschäftsaufgabe der Fall sein.

Trotzdem lohnt sich eine rechtliche Überprüfung. Viele Kündigungen wegen Geschäftsaufgabe enthalten nämlich Fehler. Wenn Sie länger als 6 Monate in einem Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern angestellt sind, dürfen Sie nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nicht grundlos gekündigt werden. Der Arbeitgeber muss also auch bei einer Geschäftsaufgabe strenge Anforderungen beachten.
Nicht immer gelingt ihm dies. Besonders häufig kommt es zu diesen Fehlern:
  • Erfolgt die Geschäftsaufgabe „etappenweise“, muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmer gemäß der sogenannten „Sozialauswahl“ kündigen. D.h. er muss stufenweise nach wirtschaftlichen und sozialen Kriterien diejenigen Arbeitnehmer zuerst kündigen, die hiervon sozial am geringsten betroffen sind. Davon profitieren insbesondere mittelalte, langjährige Mitarbeiter und Arbeitnehmer mit unterhaltsberechtigten Kindern.
  • Bei einer nur vorübergehenden Schließung ist eine betriebsbedingte Kündigung in der Regel nicht gerechtfertigt. Der Beschäftigungsbedarf muss dauerhaft entfallen.
  • Auch der Zeitpunkt für die Kündigung ist entscheidend. Ist die Geschäftsaufgabe erst in Planung, steht dem Arbeitgeber die betriebsbedingte Kündigung in der Regel noch nicht zu.
  • Sollten in verbleibenden Teilen des Unternehmens Arbeitsplätze frei sein, für die Sie geeignet sind, muss der Arbeitgeber Ihnen diese Stellen grundsätzlich anbieten.
  • Bei einer Massenentlassung kommen zahlreiche weitere Fallstricke für den Arbeitgeber hinzu.
Wir empfehlen Ihnen daher, sich bei Kündigungen im Rahmen einer Geschäftsaufgabe von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten zu lassen, um effektiv gegen die Entlassung vorzugehen oder eine attraktive Abfindung auszuhandeln.

2. Kündigung wegen Geschäftsaufgabe im Kleinbetrieb

In Kleinbetrieben ist der Kündigungsschutz herabgesetzt. Nach § 23 KSchG gilt in Unternehmen mit zehn oder weniger Mitarbeitern kein allgemeiner Kündigungsschutz. Dies hat unter anderem folgende Konsequenzen:
  • Dem Arbeitgeber steht es zu, Mitarbeiter auch ohne Kündigungsgrund zu entlassen.
  • Die Pflicht zur Sozialauswahl entfällt.

Vorsicht: Auch wenn dem Arbeitgeber in Kleinbetrieben ein großer Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum überlassen wird, bleiben willkürliche Kündigungen wie beispielsweise bei nur vorgespielter Betriebsschließung unzulässig. Daher lohnt sich oft auch hier eine rechtliche Überprüfung.

3. Kündigung wegen Geschäftsaufgabe trotz Elternzeit?

Während der Elternzeit gilt ein besonders hoher Kündigungsschutz. Betriebsbedingte Kündigungen sind deshalb nur unter strengen Voraussetzungen möglich. So muss die Kündigung bei der zuständigen Aufsichtsbehörde für Arbeitsschutz beantragt werden. Diese wird in aller Regel nur zustimmen, wenn tatsächlich keinerlei Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung besteht und Sie nicht vorzeitig – also vor der eigentlichen Geschäftsaufgabe – entlassen werden.

4. Ist eine fristlose Kündigung wegen Geschäftsaufgabe möglich?

Nein! Eine Geschäftsaufgabe gilt nicht als Grund für außerordentliche Kündigungen. Eine solche fristlose Kündigung ohne ausreichenden Grund können Sie vor Gericht angreifen. 

Der Arbeitgeber darf Sie allenfalls unter Berücksichtigung der Kündigungsfrist entlassen. Diese entnehmen Sie Ihrem Arbeits- oder Tarifvertrag und nachrangig § 622 BGB.

5. Abfindung nach einer Kündigung wegen Geschäftsaufgabe

Arbeitgeber sind auch im Fall einer Kündigung wegen Geschäftsaufgabe grundsätzlich nicht verpflichtet, eine Abfindung zu zahlen. Trotzdem haben Sie oft gute Chancen auf eine attraktive Abfindung!

Die Zahlung einer Abfindung bietet dem Arbeitgeber nämlich die Möglichkeit, drohende Kündigungsschutzklagen zu vermeiden. Deshalb bietet er oft eine entsprechende Zahlung an. 

Im Rahmen der Vereinbarung verlangt er Ihnen im Gegenzug ab, dass Sie auf Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Kündigung verzichten. Sie sehen also von einer Klage ab oder lassen eine bereits erhobene Klage fallen. So entscheiden Sie sich für die Abfindung und gegen eine Weiterbeschäftigung im Unternehmen.

Die Höhe der Abfindung hängt vom Verhandlungsgeschick Ihres Fachanwalts für Arbeitsrecht ab. Ausschlaggebend sind unter anderem diese Faktoren:

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • Einkommen
  • Lebensalter
  • Vorliegen einer Behinderung oder ähnlicher Einschränkungen
  • Bestehen von Unterhaltsverpflichtungen
Eine erste grobe (!) Orientierung bietet die folgende Faustregel:
Höhe der Abfindung = Jahre im Betrieb x 0,5 Bruttomonatsgehalt

Eine Abfindung nach 20 Jahren Betriebszugehörigkeit und einem Bruttogehalt von 5.000 € würde demnach also 50.000 € betragen. Oft sind auch höhere Beträge möglich. Die Abfindung in einem Kleinbetrieb mit zehn oder weniger Mitarbeitern wird  hingegen geringer ausfallen.

In größeren Unternehmen ergibt sich eine Abfindung häufig auch aus einem Sozialplan. Dabei handelt es sich um eine Vereinbarung von Arbeitgeber und Betriebsrat, die die sozialen Folgen der Entlassungen abfedern soll (s. sogleich). Auch hier lohnen sich aber ggf. individuelle Nachverhandlungen, um einen höheren Betrag zu erhalten.

In Betrieben mit zehn oder weniger Mitarbeitern gelten für die Abfindung einige Besonderheiten.

6. Welche Rolle hat der Betriebsrat bei einer Geschäftsaufgabe?

Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gibt dem Betriebsrat zahlreiche Möglichkeiten, auf die Geschäftsaufgabe und deren Folgen einzuwirken:

Information und Sozialplan

Wenn in Ihrem Unternehmen mehr als 20 Personen arbeiten, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat in mehreren Schritten an der Betriebsstillegung beteiligen (§ 111 BetrVG), insbesondere:
  • Zuerst muss der Arbeitgeber den Betriebsrat „rechtzeitig und umfassend“ über die geplante Schließung informieren.
  • Danach muss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat über die Geschäftsaufgabe beraten.
Achtung: Die Schwelle von mehr als 20 Arbeitnehmern bezieht sich auf das ganze Unternehmen, nicht auf die einzelnen Betriebe! Ein Unternehmen kann auch aus mehreren kleinen Betrieben bestehen, aber insgesamt die Schwelle überschreiten. In der Beratung verhandeln Arbeitgeber und Betriebsrat über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Der Interessenausgleich kann insbesondere die folgenden Punkte behandeln:
  • Wird der Betrieb überhaupt geschlossen (Frage des „Ob“)?
  • Wann wird der Betrieb geschlossen (Frage des „Wann“)?
  • In welchem Umfang wird der Betrieb geschlossen (Frage des „Wieviel“)?

Diese Vereinbarung kann der Betriebsrat nicht erzwingen. Deshalb bleibt es in diesen Punkten meistens bei der Vorstellung des Arbeitgebers. Es hat aber einen entscheidenden Nachteil, wenn der Arbeitgeber den Betrieb schließt, ohne über die Schließung einen Interessenausgleich „versucht zu haben“: Nach § 113 Abs. 1 BetrVG können entlassene Arbeitnehmer auf eine Abfindung klagen. 


Der Arbeitgeber ist letztendlich in der Entscheidung über die Schließung weitgehend frei. Wichtiger ist deshalb die Verhandlung über den Sozialplan. Dabei geht es nicht mehr um die Details der Geschäftsaufgabe selbst, sondern um deren Folgen. Betriebsrat und Arbeitgeber vereinbaren, wie die wirtschaftlichen Nachteile für die Arbeitnehmer ausgeglichen werden können. Unter anderem können die folgenden Maßnahmen vereinbart werden:

  • Abfindungen (oftmals der wichtigste Punkt)
  • Unterstützung bei der Arbeitssuche (z.B. Bezahlung von Fortbildungen durch den Arbeitgeber)
  • Aufstockung des Arbeitslosengelds durch den Arbeitgeber
Wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht auf einen Sozialplan einigen können, entscheidet eine Einigungsstelle (§ 112 Abs. 4 BetrVG). Im Gegensatz zum Interessenausgleich kann der Sozialplan also erzwungen werden.
In Unternehmen mit 20 oder weniger Mitarbeiter muss der Arbeitgeber den Betriebsrat ebenfalls unterrichten (§ 80 Abs. 2 BetrVG). Es besteht aber keine Möglichkeit, den Sozialplan zu erzwingen.

Anhörung vor Kündigungen

Wenn in Ihrem Unternehmen ein Betriebsrat besteht, muss der Arbeitgeber ihn grundsätzlich vor Kündigungen anhören (§ 102 Abs. 1 BetrVG). Das gilt auch, wenn die Kündigung wegen einer geplanten Geschäftsaufgabe ausgesprochen wird. In der Anhörung muss der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung mitteilen und dem Betriebsrat Gelegenheit zur Stellungnahme geben.
Der Betriebsrat kann die Kündigungen dadurch zwar nicht verhindern. Wenn der Arbeitgeber aber die Anhörung vergisst, ist die Kündigung unwirksam und kann vor Gericht beseitigt werden.

7. Fazit

  • Nach einer Geschäftsaufgabe drohen Kündigungen. Allerdings muss der Arbeitgeber rechtliche Voraussetzungen wie die Sozialauswahl und den richtigen Zeitpunkt der Kündigung beachten.
  • Viele Kündigungen sind deshalb fehlerhaft.
  • In Kleinbetrieben gilt kein allgemeiner Kündigungsschutz. Dies berechtigt allerdings nicht zu willkürlichen Entlassungen.
  • Auch in Elternzeit ist eine Kündigung wegen Geschäftsaufgabe möglich, wobei jedoch erhöhte Anforderungen zu beachten sind.
  • Die Geschäftsaufgabe berechtigt nicht zu außerordentlichen Kündigungen. Eine fristlose Kündigung wegen Geschäftsaufgabe ist daher unzulässig.
  • Gesetzlich sind Arbeitgeber nicht zur Zahlung einer Abfindung verpflichtet. Zumeist ergibt sich eine solche Verpflichtung allerdings aus dem Sozialplan oder einer individuellen Vereinbarung.
  • Der Betriebsrat ist an der Geschäftsaufgabe umfangreich zu beteiligen. Das Gremium wird insbesondere auf die Vereinbarung einer Abfindung für die Arbeitnehmer hinwirken.