ARBEITSRECHT
Während Kündigungsschutzklage Lohnfortzahlung erhalten
Wenn Sie gegen Ihre Kündigung klagen, muss der Arbeitgeber Sie in einigen Fällen weiterbezahlen. Wir erklären Ihnen, wann Sie Lohnfortzahlung während der Kündigungsschutzklage erhalten.
Herr Dr. Hartmut Breuer ist seit über 20 Jahren Anwalt für Arbeitsrecht in Berlin. Er ist Autor dieses Beitrags.
In diesen vier Fällen können Sie Lohnfortzahlung während der Kündigungsschutzklage verlangen:
- Der Betriebsrat hat der Kündigung widersprochen.
- Die Kündigung ist sehr wahrscheinlich unwirksam.
- Sie haben die Kündigungsschutzklage endgültig gewonnen (Nachbezahlung).
- Bei Krankheit können Sie unter Umständen ebenfalls Lohnfortzahlung verlangen.
Leerraum
1. Lohnfortzahlung während der Kündigungsfrist
Im Einzelnen: Wenn Sie Kündigungsschutzklage erheben, ist Ihr Arbeitsvertrag in der Regel noch nicht beendet. Nach Zugang der Kündigung läuft Ihr Arbeitsverhältnis nämlich noch für die Dauer der Kündigungsfrist weiter. Diese beträgt meist einige Monate.
Während dieser Zeit muss der Arbeitgeber Sie weiterbezahlen. Sie haben Ihren gewöhnlichen Anspruch auf Bezahlung gemäß § 611a Abs. 2 BGB. Der Arbeitgeber darf Ihr Gehalt nicht kürzen, weil Sie Kündigungsschutzklage erhoben haben. Das gilt selbst dann, wenn Sie aufgrund einer Freistellung nicht arbeiten müssen.
Hier erfahren Sie mehr dazu, ob Sie auch einen vereinbarten Bonus nach der Kündigung erhalten.
2. Lohnfortzahlung nach Ablauf der Kündigungsfrist
- Der Betriebsrat hat der Kündigung widersprochen.
- Ihre Kündigungsschutzklage hat gute Aussichten auf Erfolg.
Im Einzelnen:
Betriebsrat widerspricht der Kündigung
Sie erhalten dann also auch nach Ablauf der Kündigungsfrist Lohnfortzahlung in unverminderter Höhe (§ 102 Abs. 5 BetrVG). Ihnen steht bezahlter Urlaub und Lohnfortzahlung bei Krankheit zu (s. noch unten).
Achtung: Sie müssen die Lohnfortzahlung während der Kündigungsschutzklage ausdrücklich verlangen!
Nur in Ausnahmefällen entfällt die Pflicht zur Lohnfortzahlung. Dafür muss der Arbeitgeber einen Antrag bei Gericht stellen. Dieser kann nur in diesen drei Fällen erfolgreich sein:
- Ihre Kündigungsschutzklage ist von vornherein aussichtslos.
Beispiel: Sie haben erst nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist aus § 4 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben.
- Ihre Weiterbeschäftigung würde zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen.
Die Hürde liegt hoch. Das hessische Landesarbeitsgericht verlangt etwa: „Die wirtschaftlichen Belastungen müssen so gravierend sein, dass Auswirkungen für die Wettbewerbsfähigkeit des Arbeitgebers nicht von der Hand zu weisen sind bzw. die Ertragslage tangiert ist oder dass eine Existenzgefährdung des Arbeitgebers vorliegt.“ (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 5.3.2018 – 16 SaGa 127/18).
- Der Widerspruch des Betriebsrats war offensichtlich unbegründet.
Die Gründe, aus denen der Betriebsrat widersprechen darf, sind in § 102 Abs. 3 BetrVG genannt.
Dazu das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: „Dieser Entbindungsgrund liegt vor, wenn offenkundig ist, dass kein Widerspruchsrecht besteht. Die Unbegründetheit muss sich geradezu aufdrängen.“ (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.5.2010 – 6 SaGa 9/10).
Kündigungsschutzklage hat gute Erfolgsaussichten
Er steht Ihnen in diesen beiden Fällen zu:
Die Kündigung ist offensichtlich unwirksam
Beispiele:
- Der Arbeitgeber trifft nach einer Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen eine grob falsche Sozialauswahl (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 10.6.2022 – 6 Sa 1118/21).
- Das Arbeitsgericht erklärt eine Kündigung für unwirksam. Der Arbeitgeber kündigt mit derselben Begründung erneut (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.12.1985 – 2 AZR 190/85).
- Schwerbehinderter Arbeitnehmer wird ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes nach §§ 168 ff. SGB IX gekündigt (Arbeitsgericht Frankfurt, Urteil vom 18.1.2021 – 21 Ga 147/20).
- Der Arbeitgeber hat offenkundig den Betriebsrat nicht gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG angehört.
Kündigungsschutzklage in erster Instanz erfolgreich
Wenn das Arbeitsgericht Ihnen recht gibt, kann der Arbeitgeber noch Berufung einlegen. Der Ablauf der Kündigungsschutzklage zieht sich dann weiter in die Länge.
Während dieser Verfahrensdauer können Sie in der Regel vom Arbeitgeber verlangen, dass er Sie weiterbeschäftigt und bezahlt (s. etwa Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urt. v. 11.12.2020 – 6 Sa 420/20).
Das gilt wiederum nicht, wenn dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung nicht zumutbar ist. So etwa in diesen Fällen:
- Die Stelle ist ersatzlos weggefallen (Landesarbeitsgericht Hamm Urt. v. 2.3.2012 – 10 Sa 1086/1)
- Der Betriebsfrieden wäre erheblich gestört (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 12.12.2001 – 10 Sa 1741/01, dort aber abgelehnt)
- Auftragsmangel oder Gefahr für Betriebsgeheimnisse (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27.02.1985 – GS 1/84)
Der Arbeitgeber muss solche Umstände vor Gericht glaubhaft machen. Das gelingt ihm nicht immer.
Höhe der Lohnfortzahlung
Sie können während der Kündigungsschutzklage die übliche Vergütung verlangen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.02.1992 – 5 AZR 297/90). Die Lohnfortzahlung dürfen Sie behalten, auch wenn Ihre Kündigungsschutzklage später für unbegründet erklärt wird. Urlaub sowie die Bezahlung an Feiertagen und Krankheitstagen steht Ihnen hingegen nicht zu (s. noch unten).
3. Sie haben die Kündigungsschutzklage gewonnen
Die Lohnfortzahlung können Sie auch verlangen, wenn Sie während der Kündigungsschutzklage nicht gearbeitet haben!
Allerdings müssen Sie sich anderweitigen Verdienst anrechnen lassen. Dies mindert Ihre Lohnfortzahlung während der Kündigungsschutzklage. Konkret müssen Sie sich nach § 11 KSchG anrechnen lassen, was
- Sie durch anderweitige Arbeit verdient haben,
- Sie verdient, wenn Sie eine zumutbare Arbeit angenommen hätten (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 10.10.2023 – 4 Sa 22/23: Fristlos gekündigter Arbeitnehmer findet nach drei Monaten neue Stelle; in der Zwischenzeit hat er Arbeit nicht böswillig abgelehnt),
- Sie als Sozialleistung (insbesondere Arbeitslosengeld I) erhalten haben.
4. Sie sind während der Kündigungsschutzklage krank
Ihnen steht auch während einer Kündigungsschutzklage oft Lohnfortzahlung trotz Krankheit zu. Das gilt in diesen Fällen:
- Die Kündigungsfrist ist noch nicht abgelaufen. Ihr Arbeitsvertrag besteht dann schließlich noch. Der Arbeitgeber darf auch nicht einfach Ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anzweifeln, nur weil sie den Zeitraum der Kündigungsfrist betrifft (ausführlich dazu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 15.8.2023, 5 Sa 12/23).
- Sie sind nach Ablauf der Kündigungsfrist krank, werden aber wegen eines Widerspruchs des Betriebsrats während der Kündigungsschutzklage weiterbezahlt.
- Sie haben sich mit Ihrem Arbeitgeber auf die Fortsetzung des Arbeitsvertrags während der Kündigungsschutzklage geeinigt.
Natürlich müssen auch die allgemeinen Voraussetzungen der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erfüllt sein. Danach haben Sie für unverschuldete Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich einen Anspruch auf Lohnfortzahlung von sechs Wochen aufgrund derselben Krankheit (§ 3 EntGFG).
Keine Lohnfortzahlung bei Krankheit steht Ihnen in diesen Fällen zu:
- Sie werden nur wegen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs während der Kündigungsschutzklage weiterbezahlt (s.o.). So hat es das Bundesarbeitsgericht nur für diese Konstellation entschieden (BAG, Urt. v. 27.05.2020, Az. 5 AZR 247/19).
- Die Kündigungsfrist ist abgelaufen und Ihre Bezahlung würde auch dann enden, wenn Sie nicht krank wären (der reguläre Fall, wenn Sie aus keinem der o.g. Gründe Lohnfortzahlung während der Kündigungsschutzklage verlangen können).
Oft ist die Krankheit Grund für die Kündigung. Hier finden Sie mehr Infos zur Kündigung wegen Krankheit.
5. Was tun, um Lohnfortzahlung zu erhalten?
Oft ist daneben ein Antrag im einstweiligen Rechtsschutz nötig, damit der Arbeitgeber Sie weiterbeschäftigt.
Wir empfehlen Ihnen den Rat eines erfahrenen Fachanwalts für Arbeitsrecht, um Ihre Ansprüche auf Lohnfortzahlung während der Kündigungsschutzklage durchzusetzen. Gerne steht Herr Dr. Breuer Ihnen zur Seite.