ARBEITSRECHT
Gleichbehandlung von Mitarbeitern bei der Gehaltserhöhung
Dieser Beitrag basiert auf der langjährigen Erfahrung von Rechtsanwalt Dr. Breuer. Er ist ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin.
1. Wann ist eine Ungleichbehandlung von Mitarbeitern beim Gehalt in Ordnung?
Insbesondere bei einzelnen Arbeitsverträgen dürfen die Vertragsparteien relativ frei über das Gehalt verhandeln.
Die Forderung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist aus öffentlichen Diskussionen wohl jedermann bekannt. Aus rechtlicher Perspektive ist dies aber keine zwingende Vorgabe.
Vielmehr darf der Arbeitgeber bei Abschluss einzelner Arbeitsverträge in seinem Unternehmen durchaus zwischen Mitarbeitern differenzieren. Nur weil er einem seiner Arbeitnehmer etwa ein überdurchschnittlich hohes Gehalt zahlt, ist er daran bei den Vertragsverhandlungen mit anderen nicht gebunden.
Regelungen wie im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbieten dennoch auch bei individuellen Vertragsverhandlungen bestimmte Diskriminierungen, etwa wenn diese auf dem Alter, der Herkunft oder dem Geschlecht des Arbeitnehmers beruhen.
Allerdings ist meist schwer zu beweisen, dass eine Gehaltserhöhung gerade wegen des Geschlechts o.ä. ausgeblieben ist.
2. Wann muss eine Gehaltserhöhung für alle Mitarbeiter gelten?
Dennoch sind dem Arbeitgeber je nach Konstellation Grenzen gesetzt.
Gleichbehandlung bei Nutzung allgemeiner Kriterien
Der Gleichbehandlungsgrundsatz greift ein, wenn der Arbeitgeber nach abstrakten und allgemeinen Maßstäben Gehälter erhöht.
Es geht hier also nicht um einen einzelnen Arbeitsvertrag eines Arbeitgebers, sondern beispielsweise um betriebsweite Gehaltserhöhungen für alle oder eine bestimmte Gruppe der Beschäftigten.
Beispiele:
- Alle Arbeitnehmer, die in der Produktion des Maschinenherstellers arbeiten, erhalten eine Gehaltserhöhung.
- Alle Mitarbeiter mit Kind erhalten 5% mehr Gehalt.
Erhöht der Arbeitgeber die Gehälter nach solchen allgemeinen Kriterien, muss er grundsätzlich die Bezahlung aller Mitarbeiter anpassen, die den Kriterien entsprechen. Unter dieser Voraussetzung haben dann alle betroffenen Arbeitnehmer einen Anspruch auf Gehaltserhöhung.
Welche Unterscheidung ist zulässig, welche nicht?
Natürlich darf der Arbeitgeber die Auswahlkriterien nicht willkürlich bestimmen.
Auch wenn er die Unterscheidung nach Gruppen vornimmt, genügt es nicht, dass er allen Angehörigen der jeweiligen Gruppe die Gehaltserhöhung zukommen lässt. Die Gefahr besteht nämlich auch darin, dass die Gruppenbildung selbst schon gleichheitswidrig ist.
Deshalb haben Sie als Arbeitnehmer auch einen Anspruch darauf, dass die Gruppenbildung nicht willkürlich oder nach unsachlichen Kriterien vorgenommen wird. Es muss stets ein legitimer Zweck mit der Unterscheidung verfolgt werden, damit diese gerechtfertigt ist.
Beispiel: So wäre eine Unterscheidung nach der Betriebssparte zulässig, wenn sich die Tätigkeiten auch tatsächlich von anderen Bereichen unterscheiden. Wenn aber zwei Bereiche beispielsweise im Wesentlichen vergleichbare Tätigkeiten ausüben und nur formell anders bezeichnet werden, kann eine Unterscheidung auch unzulässig sein.
Um das überprüfen zu können, müssen Sie natürlich wissen, nach welchen Kriterien der Arbeitgeber entschieden hat. Nur dann lässt sich feststellen, ob
- die Gruppenunterscheidung überhaupt nach zulässigen Kriterien erfolgte und
- Sie den Kriterien der Einteilung entsprechen und damit von der Gehaltserhöhung ebenfalls profitieren müssten.
Deshalb hat das Bundesarbeitsgericht schon 2004 entschieden, dass Sie als Arbeitnehmer einen Anspruch auf Auskunft über die Unterscheidungskriterien haben (BAG, Urteil v. 1.12.2004, 5 AZR 664/03):
Der Arbeitgeber muss demnach die Kriterien mitteilen, damit Sie gegen eine mögliche Ungleichbehandlung auch tatsächlich vorgehen können. Dabei geht es aber nicht um die konkreten Gehälter Ihrer Kollegen. Nur die abstrakten Maßstäbe und Prinzipien für die Unterscheidung muss der Arbeitgeber Ihnen offenlegen.
3. Gleichbehandlung bei Tarifanwendung?
Knapp 60% der deutschen Gehälter werden per Tarifvertrag bestimmt. Allerdings gelten Tarifverträge oft nicht für alle Mitarbeiter eines Betriebs. Kommt es dann zu einer Tariferhöhung, profitieren davon allein die tarifgebundenen Arbeitnehmer.
Der Arbeitgeber darf die Gehälter der nicht-tarifgebundenen Belegschaft beibehalten und sie insofern benachteiligen.
Anders ist es, wenn der Arbeitgeber die Begünstigungen eines Tarifvertrags auch stets den nicht-tarifgebundenen Mitarbeitern gewährt. Erhöht er dann nach einer Tarifrunde die Gehälter der tarifungebundenen Beschäftigten, muss er dies gegenüber allen vergleichbaren Mitarbeitern gleichermaßen tun. Er darf nicht einzelne nicht-tarifgebundene Arbeitnehmer auslassen.
Übrigens: Die Tarifvertragsparteien können die Entgelte und Tarifgruppen recht frei bestimmen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt für sie nur in engen Grenzen.
4. Gleichbehandlung bei Sonderzahlungen?
Auch wenn der Arbeitgeber Sonderzahlungen gewährt, gelten die im Abschnitt 2. beschriebenen Grundsätze. Zunächst muss die Gruppendifferenzierung zulässig sein, sodann müssen alle Angehörigen der entsprechenden Gruppe auch eine Zahlung erhalten.
Beispiel: Aufgrund einer Betriebsvereinbarung wird allen Arbeitnehmern im Innendienst eines Lieferunternehmens ein Weihnachtsgeld gezahlt, den Arbeitnehmern im Außendienst als Zusteller aber nicht. Hier ist die Unterscheidung gerechtfertigt, wenn die Betriebsvereinbarung das Trinkgeld ausgleichen soll, das ausschließlich der Arbeitnehmer im Außendienst während der Weihnachtszeit erhalten.
5. Keine Gehaltserhöhung wegen Elternzeit, Krankheit oder Kündigung – geht das?
Elternzeit
Wenn Sie sich in Elternzeit befinden und Ihr Arbeitgeber Gehaltserhöhungen veranlasst, lohnt sich ein genauer Blick auf die Gründe. Handelt es sich um individuelle Erhöhungen, die z.B. aufgrund guter Leistungen erfolgen, haben Sie keinen Anspruch auf ein höheres Gehalt.
Hat allerdings die gesamte Belegschaft eine Gehaltserhöhung bekommen, sind Sie trotz Elternzeit ebenfalls dazu berechtigt; genauso, wenn es eine gruppenbezogene Erhöhung gab und sie der entsprechenden Gruppe nach Art der Tätigkeit und Stellung im Unternehmen zugehören.
Es kommt hier sehr stark auf den einzelnen Fall an, den Sie mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht besprechen sollten.
Krankheit
Ähnlich verhält es sich bei Krankheit des Arbeitnehmers. Leistungsbezogene, individuelle Gehaltserhöhungen können Sie dann nicht beanspruchen. Bei generellen Gehaltserhöhungen ist aber auch ein erkrankter Arbeitnehmer berechtigt, bei Vorliegen der Voraussetzungen zu profitieren.
Falls die Zahl der Krankheitstage für den Arbeitgeber problematisch wird, hat er mit Wiedereingliederungsmanagement, Krankheitsgesprächen und im Extremfall der krankheitsbedingten Kündigung einige Mittel zur Verfügung. Die gleichheitswidrige Benachteiligung beim Gehalt gehört aber nicht dazu.
Kündigung
Auch bei einer bereits ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsvertrags darf der Arbeitgeber Sie nicht allein aufgrund der Kündigung von einer generellen Gehaltserhöhung ausnehmen. Dies betrifft die Dauer Ihrer Kündigungsfrist. Genau wie in den anderen Fällen kommt es darauf an, was die Basis für die Gehaltserhöhung ist.
6. Ungleichbehandlung beim Gehalt – was tun?
Zunächst ist bei Verdacht auf eine Ungleichbehandlung wichtig, dass Sie Ihren Informationsanspruch auf die entscheidungserheblichen Kriterien geltend machen. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann Ihnen dabei behilflich sein.
Erst wenn die entsprechenden Kriterien transparent sind, lässt sich beurteilen, ob für Sie evtl. einen Ausgleichsanspruch in Betracht kommt.
Wenn eine gleichheitswidrige Behandlung in der Vergangenheit feststellbar ist, haben Sie ggf. einen Ausgleichsanspruch für ausgebliebene Gehaltserhöhungen oder Sonderzahlungen. Dass anderen Arbeitnehmern ihre bereits erhaltenen Zahlungen wieder entzogen werden, können Sie hingegen nicht verlangen.
Für die Zukunft muss dann der Arbeitgeber eine rechtmäßige Gleichbehandlung herstellen. Ob dies durch eine Korrektur nach „oben“ oder durch eine Anpassung auf niedrigerem Niveau geschieht, ist im gesetzlichen Rahmen den Parteien selbst überlassen.
7. Fazit
- Zunächst ist die Höhe des Gehalts im Arbeitsvertrag individuelle Verhandlungssache. Aufgrund der Vertragsfreiheit darf der Arbeitgeber auch im selben Betrieb unterschiedliche Gehälter zahlen.
- Wenn Gehaltserhöhungen oder Sonderzahlungen aber nach generalisierten Kriterien vorgenommen werden, greift der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz.
- Die Differenzierungskriterien müssen zweckmäßig und begründet sein und Ihnen mitgeteilt werden, damit Sie einen etwaigen Nachzahlungsanspruch geltend machen können.
- Elternzeit, Krankheit und Kündigung sind grundsätzlich keine zulässigen Gründe, um Ihnen Gehaltserhöhungen vorzuenthalten.
- Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann Ihnen helfen, Ihre möglichen Ansprüche auf eine Nachzahlung zu prüfen.